Über die Kunstsammlung Heinrich
2012 überführen das Sammlerpaar Jutta und Manfred Heinrich ihre Kollektion – ca. 350 Arbeiten von ca. 40 verschiedenen Künstlern – in eine Kunststiftung. Mitsamt des historischen Museumsgebäudes auf dem Schafhof geht die Kunstsammlung an die Heimatstadt der Stifter: Maulbronn. Dort zählt die Kunstsammlung Heinrich seit ihrer Eröffnung im Juni 2014 – neben der mittelalterlichen Klosteranlage Maulbronn, seit 1993 UNESCO-Weltkulturerbe – zu einer Attraktion erster Klasse.
Das Museum mit einer Ausstellungsfläche von ca. 800 qm fokussiert Berliner Malerei der Nachkriegszeit: genauer ab Mitte der 1960er bis hin zu den 1980er Jahren. Kritischer Realismus, „Junge Wilde“ und Neoexpressionismus sind die Schwerpunkte der Sammlung.
Eine Besonderheit der Sammlung machen Werke von nicht-staatstragenden Künstlern mit ostdeutschem Hintergrund aus. Vermutlich ist die Kunstsammlung Heinrich zu diesem Zeitpunkt das einzige Museum Berliner Kunst weltweit, das über das Medium der Malerei das geteilte Deutschland und das Spannungsverhältnis Ost – West thematisiert.
Ein Großteil der in der Sammlung vertreten Künstler haben in West-Berlin gelebt und gearbeitet: Ihre Arbeiten sind dort entstanden. Einen erkennbaren Berliner Stil gibt es nicht. Vielmehr fließen unterschiedliche Haltungen, Auffassungen, Einflüsse und auch Ereignisse aus dem aktuellen Zeitgeschehen zusammen, mit denen man sich im Westen wie im Osten und – seit dem Mauerfall 1989 im neuen Berlin – auseinandersetzt. Die Themen der Bilder handeln vom Großstadtleben und vom Berliner Lebensgefühl dieser Jahre. Als Motive erscheinen Wahrzeichen wie z.B. die Berliner Mauer, die Friedrichstraße, die Oberbaumbrücke, die legendäre Paris Bar in Berlin-Charlottenburg, heute immer noch Treffpunkt der Kunstszene. Das verbindende Moment dieser Kunst, spürbar auch in der Sammlung, ist geprägt – so könnte man vielleicht sagen – von einem „Berliner Gemeinschaftsgefühl“.
Bis in die 1970er Jahren steht der Kritische Realismus für die zeittypische Version der West-Berliner Kunst. In den 1980er Jahren kommt die Malerei der „Jungen Wilden“ auf: Sie verleiht einer Mentalität des Anderen Ausdruck. Es sind die neoexpressiven Aufbrüche seit den frühen 1980er Jahren, die sich mit „Gefühl und Härte“ vermitteln. Wie bereits bei den Kritischen Realisten geht es um das Erleben der explosiven Großstadt West-Berlin. Charakteristika dieser Malerei sind die überwiegend großformatigen Leinwände, der gestische Pinselstrich, das leuchtende Kolorit, das Spannungsverhältnis zwischen Figuration und Abstraktion. Dieser Trend verbreitet sich schnell: „Jung“, „wild“, „heftig“ wird zu dieser Zeit auch an anderen Orten gemalt – z.B. in Düsseldorf und Köln, in Süddeutschland, in Österreich und auch in der Schweiz.
Die Kunstsammlung Heinrich scheint wie auch ihre Kunst im Aufbruch zu sein: Ein Zentrum für Berliner Kunst der Nachkriegszeit soll hier in Süddeutschland entstehen. Die Leidenschaft für die Sache ist an diesem Ort sofort zu spüren. Für gestische Malerei der 1970er Jahre bis heute und für die Metropole Berlin. Der Funke wird überspringen.